Firma Heinrich Beutel

Das Firmenportrait wurde komplett von Hans-Joachim Beutel, dem Sohn des Firmengründers Heinrich, erarbeitet mit dem Ziel, die Seite der Natur- und Heimatfreunde zu ergänzen  - alle Texte, Dokumente und  Bilder stammen  vom  Autor !

Die Veröffentlichung des interessanten Artikels der Natur- und Heimatfreunde im
»Freien Wort“ vom 06.05.2010 gab Anlass, aus den noch vorhandenen
Zeitdokumenten eine Zusammenfassung des Betriebsgeschehens der Fa. Heinrich
Beutel für die Ortschronik darzulegen. 

a) Aus dem Lebenslauf des Firmengründers

Heinrich Beutel wurde am 25.06.1892 in Barchfeld/Werra, Kreis Schmalkalden geboren. Von 1906— 1909 ging er bei der Firma R. & O. Lux, Marienthal/ Bad Liebenstein  http://www.heimatfreundebali.de/heimatgeschichte/firmen/firma-r-o-lux/   in die Lehre und beendete diese als Werkzeugmacher.
Anschließend arbeitete er noch weitere 2 Jahre in seiner Lehrfirma.
1911 bekam er in der Maschinenfabrik Fischer & Wünsch, Dresden, zur Erweiterung seiner handwerklichen Fertigkeiten und Fähigkeiten eine Anstellung.
Im November 1913 wurde er als Soldat zur Marine-Infanterie eingezogen und meldete sich 1914 freiwillig zum Sanitätsdienst der Kriegsmarine auf das Kaiserliche Linienschiff „König Albert“  http://de.wikipedia.org/wiki/SMS_K%C3%B6nig_Albert    . 

Heinrich Beutel beim Sanitätsdienst
Heinrich Beutel beim Sanitätsdienst
S. M. S. König Albert
S. M. S. König Albert
Mit Gott für Kaiser und Reich
Mit Gott für Kaiser und Reich

Als Obersanitätsgast kehrte er 1918 gesund aus dem 1. Weltkrieg zurück.

1919 nahm er erneut das Arbeitsverhältnis bei seiner früheren Lehrfirma
R. & O. Lux /
Marienthal, auf.
Im Rahmen seiner Tätigkeit wurde er nach Wien beordert, um die Kosten für den Export von Oeseneinsetzmaschinen wirtschaftlicher zu gestalten. Wegen der hohen Einfuhrzölle für Komplettmaschinen wurden die Maschinen im zerlegten Zustand geliefert. Sein Auftrag: Mit einem Monteur die Maschinenteile zusammenzusetzen und die Maschine funktionstüchtig zu übergeben.

Am 04.12.1920 heiratete er Elise Kaiser aus Tiefenort und bezog eine

Werkswohnung der Firma R. & 0. Lux in Bad Liebenstein in der Bahnhofsstraße. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen:

- Rolf, geb. 09.02.1921
- Karl-Heinz, geb. 03.01.1923
- Hans-Joachim, geb. 22.05.1935

Werkswohnung von R. & O. Lux in der Bahnhofstraße mit Rolf und Karl-Heinz - heutige Stadtverwaltung
Werkswohnung von R. & O. Lux in der Bahnhofstraße mit Rolf und Karl-Heinz - heutige Stadtverwaltung

Seine Ehefrau trug durch Wäschepflege für Patienten der Augenheilanstalt
Herzogin Charlotte  http://www.heimatfreundebali.de/heilbad/sanatorien/augenheilanstalt-charlotte/   , die der Werkswohnung genau gegenüber lag, zum Lebensunterhalt bei.  Das Wohnzimmer wurde deshalb auch an Patienten der Augenheilanstalt vermietet. 
In den Kellerräumen
waren erste kleine Werkzeuge gefertigt worden.

Rechts die Kinder Rolf und Karl-Heinz mit Elise Beutel und links eine Patientin der Augenheilanstalt Charlotte, die im Wohnzimmer  der Familie Beutel logierte und geführt werden musste
Rechts die Kinder Rolf und Karl-Heinz mit Elise Beutel und links eine Patientin der Augenheilanstalt Charlotte, die im Wohnzimmer der Familie Beutel logierte und geführt werden musste

1924 meldete die Firma R. & O. Lux Konkurs an, Heinrich kam wieder nach Bad Liebenstein zurück und war nun ohne Arbeit.
Durch Landverkauf seiner Ehefrau in der Gemarkung Tiefenort / Werra konnten in dem ehemaligen Holzverarbeitungsbetrieb Rübsam, Bad Liebenstein, Höhenweg,  http://www.heimatfreundebali.de/heimatgeschichte/firmen/bau-und-möbeltischlerei-rübsam/  Fertigungsräume angemietet werden.

Familie Heinrich Beutel - Aufnahme um 1940
Familie Heinrich Beutel - Aufnahme um 1940

b) Entwicklung der Firma Heinrich Beutel
Am 01.01.1925 wurde die Firma „Heinrich Beutel Metallwaren-Fabrik“ gegründet.
1926 stellte Heinrich Beutel mit Hilfe seiner Brüder Ferdinand, Albert und Erich kleine Tresorschlösser für Geldbörsen her. 1928 nahm er zusätzlich ein
Aktenmappenschloss in die Produktion auf. Beide Artikel fanden jedoch nur
ungenügenden Absatz.
1930 erfuhr sein Betrieb Aufschwung, indem nun modische und preisgünstige
Vortaschenschlösser hergestellt und verkauft werden konnten.
Am 01.01.1932 wurde die Firma ins Handelsregister eingetragen.
1933 wurde die Produktion um Damentaschenbügel erweitert und es konnten bereits
30 Arbeiter beschäftigt werden.
Die Hauptabsatzgebiete waren Skandinavien, die Balkanländer, Afrika, Südamerika
und Australien.

Auslandskunden

Am 21.03.1934 wurden die Stanzwerke und Schlossfabriken G.m.b.H., vormalig
Gg. Ad. Heller in Bad Liebenstein  http://www.heimatfreundebali. de /heimatgeschichte/firmen/georg-adam-heller/   erworben.
Die Beschäftigtenzahl stieg auf 40 Arbeiter an.
Im gleichen Jahr erfolgte der Umzug mit Familie und Betrieb in die Gebäude auf dem neu erworbenen Betriebsgrundstück in Bad Liebenstein, Barchfelder Straße 30.

Villa in der Barchfelderstraße 30
Villa in der Barchfelderstraße 30
Firmenlogo
Firmenlogo
Belegschaftsfeier im Gasthaus „Gute Quelle“ anlässlich 1. Mai 1934
Belegschaftsfeier am 1. Mai 1934

Belegschaftsfeier im Gasthaus „Gute Quelle“  anlässlich des 1. Mai 1934  http://www.heimatfreundebali.de/heimatgeschichte/gaststätten/zur-quelle/   

Heinrich Beutel mit PKW Opel Admiral
Heinrich Beutel mit PKW Opel Admiral

Durch die Eröffnung eines Kleinen Zweigbetriebes in Tiefenort/Werra wuchs
bis 1938 die Beschäftigtenzahl auf 148 an.
 

1941 sollte ein erweiterungsfähiger Neubau in Tiefenort errichtet werden.
1941 sollte ein erweiterungsfähiger Neubau in Tiefenort errichtet werden.

Eine besonders erwähnenswerte Fügung ergab sich aus der gedeihlichen Zusam-menarbeit mit Herrn Erhard Lux (Sohn des Namensgebers Richard Lux aus
der Firma R.
&  O.
Lux Marienthal/Bad Liebenstein).
Erhard Lux hatte durch exzellente Kenntnisse und Verbindungen den Markt der
Lederwarenfirmen im Raum Offenbach / Main weit geöffnet. Er war ab 1936 in Offenbach als Generalvertreter tätig.

Erhard Lux mit Ehefrau Frieda und Tochter Helga
Erhard Lux mit Ehefrau Frieda und Tochter Helga
Familie Beutel zu Besuch in Offenbach bei Familie Lux
Familie Beutel zu Besuch in Offenbach bei Familie Lux
Provisionsliste für Erhard Lux
Provisionsliste für Erhard Lux

Im Jahr 1938, 13 Jahre nach Gründung des Betriebes, bestand bereits ein großer Kundenkreis. 70% des Umsatzes generierten sich aus dem Export. Die Hauptkunden waren jüdische Geschäftsleute. Die südamerikanischen Kunden kamen 1938 nur noch nach Kopenhagen, wohin Erhard Lux telefonisch eingeladen wurde.

Bis 1942 wurden ausschließlich Artikel für den zivilen Bedarf hergestellt.
Da keine
Heeresartikel produziert wurden, reduzierte sich die Belegschaft durch Einberufung zur Wehrmacht auf 34 Arbeitskräfte. Um die Existenz des Betriebes zu sichern bestand Zwang, mindestens einen Kriegsartikel in das Sortiment mit aufzunehmen. Ab 1943 wurden auch Schalen für Eierhandgranaten und Munitionskistenverschlüsse hergestellt, im gleichen Jahr erfolgte die Einquartierung der Telefunkenproduktion im Ober-geschoß der Firma.
Es wurden 34 Ostarbeiter
( einschließlich Kleinkinder und Jugendliche ) und 3 Franzosen zugewiesen.

Im Kriegsjahr 1943 starben beide Söhne Rolf und Karl-Heinz in Russland.
Rolf hatte vor Kriegseintritt gerade das Abitur abgeschlossen und Karl-Heinz die Ingenieurschule in Weimar besucht.

Durch höhere Einwirkungen stand 1945 der Betrieb still.
Die erneute Aufnahme der Produktion wurde durch den Landrat erlaubt!

Bildergalerie:
Erlaubnisschein zur Produktion Juni 1945 und zwei Patente Heinrich Beutels  

Haft in Ohrdruf !

Bescheingung des Haftaufenthaltes 1945
Bescheingung des Haftaufenthaltes 1945

Im Herbst 1945 konnte die Kleinserienproduktion von Fenster- und Möbelbeschlägen aufgenommen werden.

Die Beschäftigtenzahl stieg wieder auf 45 an.
1946 mussten durch Befehl der Kommandantur Meiningen drei Werkzeugmaschinen abgegeben werden.

Dokument, das die Abgabe von drei Maschinen an die sowjetische Militäradministration bescheinigt. Der darin vereinbarte Preis wurde nie gezahlt !
Dokument, das die Abgabe von drei Maschinen an die sowjetische Militäradministration bescheinigt. Der darin vereinbarte Preis wurde nie gezahlt !

Da nun ein Teil der Werkzeugmaschinen für die Herstellung von Schneid- und Umformwerkzeugen fehlte, war die gegenseitige, freundschaftlich-kooperative Hilfe der hiesigen Industriebetriebe von großer Bedeutung (Fa. Billmann, Fa. Luther usw.).
Außerdem fehlten nach 1945 die Materialien zur Fertigung modischer Lederwarenbeschläge wie:
- plattiertes, dessiniertes, feuervermessingtes Bandeisen
- Messingband u.a.
- Galalith, Trolon u. Edel-Kunstharze (Stäbe rund u. eckig)
Der veränderten Situation der Nachkriegszeit entsprechend wurden jetzt nur noch in geringer Stückzahl Lederwarenbeschläge aus Kaltband hergestellt, die eine galvanische Oberflächenbearbeitung erforderte.

Bericht über Beteiligung am Wiederaufbau
Bericht über Beteiligung am Wiederaufbau

Galeriebilder von Stadttaschenbügeln, langschenkligen Bügeln, Kindertaschenbügeln, Ziehschlössern und alte Fertigungsskizzen

Der größere Produktionsanteil bestand aus der Fertigung von Fenster- und
Möbelbeschlägen, Kofferschlössern (Reparationsaufträgen) u. anderen Kleinteilen.
Anm.: Die nicht mehr mögliche Versorgung der Kundschaft mit Lederwarenbeschlägen aus dem Raum Südthüringen führte zum Aufbau einer entsprechenden Industrie im Raum Offenbach/Main

Innenminister stellt am 12.02.1948 den Betrieb unter Sequester
Innenminister stellt am 12.02.1948 den Betrieb unter Sequester
Entlastungsschreiben Bürgermeister Eichel vom 23.02.1948
Entlastungsschreiben Bürgermeister Eichel vom 23.02.1948
Kofferschloß
Kofferschloß
Anhängeschild an das Muster für eine Ausstoßmenge von 50000 Stck
Anhängeschild an das Muster für eine Ausstoßmenge von 50000 Stck
Beschlagnahmtes Bandeisen
Beschlagnahmtes Bandeisen

Am 10.01.1949 begann die Haft meines Vaters im Gerichtsgefängnis Meiningen (Dauer:  6 1/2 Monate )

Beschlagnahme des gesamten Vermögens
Beschlagnahme des gesamten Vermögens
Treuhänderumbesetzung
29 Treuh.Schmidt.pdf
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Wirtschaftsprüfung vom 17.09.1949
Wirtschaftsprüfung vom 17.09.1949
Strafverfahren eingestellt am 30.06.1950
Strafverfahren eingestellt am 30.06.1950

Heinrich Beutel wird am 01.10.1950 wieder Eigentümer des Betriebes

gewerkschaftliche Attacken über Gewinn- bzw. benannte Profitverteilung
gewerkschaftliche Attacken über Gewinn- bzw. benannte Profitverteilung

April 1953 -  Nach telefonischer Warnung bezüglich bevorstehender erneuter Inhaftierung flüchtete mein Vater in die BRD, nach Offenbach/Main. — Anruf erfolgte aus einem der umliegenden Orte —

Oktober 1953 -  Rückkehr meines Vaters (einschl meiner Person) aus der BRD - Scheinbare Kursänderung der DDR (17. Juni 1953)

Rückkehr aus der BRD
Rückkehr aus der BRD

Wegen schlechter Lesbarkeit ist das Schreiben des  Rat des Kreises Bad Salzungen (Bezirk Suhl) nachgeschrieben worden:
Herrn
Heinrich Beutel
Offenbach/Main
Kopernikusstrasse  
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Sehr geehrter Herr Beutel,
auf Ihr an den Vorsitzenden des Rates des Kreises Bad Salzungen gerichtetes Schreiben, teilen wir Ihnen mit, dass Ihnen nach Ihrer Rückkehr in die DDR Ihr gesamtes Vermögen einschließlich Betriebsvermögen auf Basis der Regierungsverordnung vom 11.08.1953 vollzählig zurückgegeben wird. Sämtliche Dienststellen sind auf Grund der Regierungsbeschlüsse angewiesen worden, Sie nach Ihrer Rückkehr weitgehend zu unterstützen, um Ihnen Gelegenheit zu geben, im Interesse der Wirtschaft der DDR Ihren Betrieb weiterzuführen. Durch Ihre damalige Republikflucht entstehen Ihnen keinerlei Nachteile.
Ihrer Rückkehr sehen wir gern entgegen.

Hochachtungsvoll
Vogel
Referatsleiter


Übergabe- Übernahmeprotokoll vom 30.10.1953
Übergabe- Übernahmeprotokoll vom 30.10.1953

Repressalien, wie ungerechtfertigt hohe steuerliche Belastungen, erschwerten die privatwirtschaftliche Tätigkeit.
(Mehrerlösabschöpfung!)
Anm.: Die negativ bedeutsamen Einflüsse der Finanzbehörden können ggf.gesondert dargestellt werden.

März 1957
Es wurde staatlicherseits der Vorschlag unterbreitet, mit dem Betrieb in die Geschäftsform ,,Mit staatlicher Beteiligung“  überzugehen.
Dem Vorschlag wurde nicht entsprochen !
Die Belastungen durch Steuerforderungen lasteten schwer auf meinem Vater. Teils durch den Verkauf von Maschinen und Gegenständen aus dem privaten Bereich konnten die Forderungen reduziert werden.
Mai 1957
Die Summe unerträglicher Situationen führte zu der Tat meines Vaters, sämtliche Antriebsriemen der Fertigungsmaschinen zu durchtrennen und damit den Stillstand der Produktion herbeizuführen.
Am darauffolgenden Tag wurde die Belegschaft durch die Kaderleiter umliegender VEB Betriebe aufgeteilt und umgesetzt.

Stilllegung der Firma „Heinrich Beutel Metallwarenfabrik“ Bad Liebenstein.