Helmut Hoelzer

Helmut Hoelzer ( * 27.02.1912 Bad Liebenstein, + 19.08.1996 Huntsville  ( Allabama) )  besuchte die Volksschule in Bad Liebenstein. Er war begeisterter Hobbysegelflieger und nutzte wie viele andere auch die Möglichkeiten, die mit dem Gelände auf der Alten Warth dazu gegeben waren.
Eine seiner Erfindungen war ein Messgerät, mit dem die Beschleunigung an Flugzeugen gemessen werden konnte. Es arbeitete nach dem Prinzip des von ihm entwickelten ersten elektronischen Analogrechners der Welt (Röhrentechnik). 

Am Anfang des Zweiten Weltkrieges wurde er dienstverpflichtet und nach Peenemünde geschickt. Dort  traf er  erstmals mit Werner von Braun zusammen. Gemeinsam mit diesem war er unter anderem an der ersten Mondlandung des Menschen  (Apollo) beteiligt. Er entwickelte dazu als  Direktor of Computing am Marshall Space Fligth Center die Fernsteuerung der Mondraketen.
Helmut Hoelzer heiratete am 22.06.1940 Anni Geißler in Peenemünde. Der aus dieser Verbindung 1944 geborene Sohn Hartmut Hoelzer lebt in Suhl. Nach Aussage von Emmi Reum, die Hausmädchen bei Frida Hoelzer in der Pension Helene war, kehrte Helmut Hoelzer Anfang 1945 mit Frau und Sohn von Peenemünde nach Liebenstein zurück. Helmut machte sich aber nach kurzer Zeit alleine auf den Weg in Richtung Peenemünde. Es werden sicher mehrere Gründe gewesen sein, warum ihn seine Frau Anni nicht begleitete.
Aufgrund der Bombardierung Peenemündes musste der 32-jährige sich mit seiner Erfindung in das Forsthaus von Neu Pudagla retten. Während er dort sein Gerät weiterentwickelte, lernte er die Tochter des Försters Muschwitz kennen, welche er nur ein Jahr später heiratete.

Seine Enkelin Margaret Hoelzer ist u.a. Schwimmweltmeisterin über 200 m Rücken. 
Der Hölzerbrunnen in der Herzog-Georg-Straße vor der Gärtnerei Bachmann erinnert an seine Vorfahren, die dort eine Gärtnerei und ein Thüringer Steinwerk https://www.heimatfreundebali.de/heimatgeschichte/villen/haus-gierth/ http://www44.jimdo.com/app/s06790cd3cc8612fc/p93e89e808da3aec8/ betrieben hatten.

 

Hans Hoelzer, der Sohn von Helmut

TBE Fellow and Senior Systems Engineer at Teledyne Brown Engineering

Ort Huntsville, Alabama
Branche Verteidigung & Raumfahrt

 

Von links: Helmut Hoelzer, Eberhard Rees, Wernher von Braun. Das Foto entstand in Huntsville, Alabama, 1968 im Computer Labor des Marshall Space Flight Center. Hoelzer war dort Direktor.

nordkurier
Mit Analog-Rechner von Vorpommern zum Mond
Von unserem Redaktionsmitglied     Sandra Grüning
Ohne seine Erfindung wären die Amerikaner 1969 wohl nicht auf dem Mond gelandet. Helmut Hoelzer gilt als einer der Computer- und Raketenpioniere. Der von ihm in Peenemünde und Neu Pudagla entwickelte Analog-Rechner wurde vom amerikanischen Marshall Space Flight Center in die Apollo-Mondraketen eingebaut. Gestern wäre Hoelzer 100 Jahre alt geworden.
Peenemünde/Neu Pudagla.,,Er hatte immer einen lustigen Spruch, meist von Busch, auf den Lippen“, erinnert sich Forstdirektor Norbert Sündermann aus Neu Pudagla an den Raketenpionier, den er 1992 kennen gelernt hat.
Schon als Jugendlicher habe sich Helmut Hoelzer als leidenschaftlicher Segelflieger ein Gerät gewünscht, das ihm die Fluggeschwindigkeit über Grund anzeigt. Die Fluggeschwindigkeit über Grund bezeichnet die wahre Fluggeschwindigkeit eines Objektes. In ihre Berechnung fließen auch Daten wie Rücken- oder Gegenwind mit ein. In den 1920er Jahren gab es jedoch kein Gerät, das Messwerte elektronisch verarbeiten konnte.
Um für seine Idee eine praktische Lösung zu finden, studierte Hoelzer — 1912 in Bad Liebenstein in Thüringen geboren — in Darmstadt Elektrotechnik und wurde Assistent an der dortigen Ingenieurschule für Luftfahrttechnik. Doch niemand nahm seine Forschung an einem Rechenapparat ernst. Zunächst auch in Peenemünde nicht. Dorthin war er 1939 als Spezialist für Fernsteuerungssysteme dienstverpflichtet worden. „Er war kein NSDAP-Mitglied, aber es darf trotz seiner Leistungen nach dem Krieg nicht beschönigt werden, dass er am Raketenprogramm der Nationalsozialisten beteiligt war“, sagt Sündermann.
In seinem Labor entwickelte Hoelzer einen Simulator, mit dem er Flugbahnen voraussagen konnte. 1941, im selben Jahr, in dem Konrad Zuse den ersten Digitalcomputer entwickelte, war auch Hoelzers analoger Simulator einsetzbar. Anders als bei Zuse wurden in ihn aber keine binären Werte eingespeist, sondern echte physikalische Größen wie geometrische Längen oder Winkel. Ähnlich einem Rechenschieber konnte Hoelzer damit Flugexperimente simulieren und gleichzeitig abbilden. Die Bombardierung Peenemündes hätte seine Erfindung fast zerstört. Ins Forsthaus von Neu Pudagla gerettet, konnte der 31-Jährige seinen Apparat dort weiterentwickeln und lernte ganz nebenbei die Tochter des Försters Muschwitz kennen. Die beiden heirateten nur ein Jahr später.
Auch wenn sie 1946 in die USA übersiedelten, habe eine Tochter noch heute Kontakt zum Usedomer Forst. „1994 haben meine Frau und ich Hoelzer in den USA besucht“, erzählt Sündermann. Hoelzer war in Huntsville (Alabama) Direktor für Computing am Marshall Space Flight Center.
Seine Analogrechner wurden in die Apollo-Mondraketen integriert und errechneten in Echtzeit die Flugbahn zum Mond. „Mit den digitalen Rechnern wäre das unmöglich gewesen — zu langsam und zu riesig“, meint Sündermann.
Auf der Rückreise von Amerika sei ihm die Idee zu dem Gedenkstein gekommen. 1995 mit einer von Konrad Zuse geschriebenen Laudatio eingeweiht, hat Hoelzer ihn jedoch nie zu Gesicht bekommen. Er konnte nicht mehr reisen und starb 1996. Gestern wäre sein 100. Geburtstag gewesen.
 

                                                        Geschrieben im Februar 2012

Foto: Dr. Reinhard Malek
Foto: Dr. Reinhard Malek
Die Mitarbeiter des Forstamtes Neu Pudagla vor dem Gedenkstein für Hölzer
Die Mitarbeiter des Forstamtes Neu Pudagla vor dem Gedenkstein für Hölzer
  Bedeutende Naturwissenschaftler und Erfinder
   Auf Einladung des Fachbereichs Informatik  und des Rechenzentrums weilte der Computerpionier und Raketenforscher Dr.-Ing. Helmut Hoelzer zu einem Gastvortrag in unserer Universität. Hauptanlaß dieser Einladung war ein
1991 in der Geschichte der Rechentechnik zuverzeichnendes 50jähriges Doppeljubiläum: Zum einen wurde 1941 durch Konrad Zuse
der erste voll funktionstüchtige programmgesteuerte Rechenautomat der Welt fertiggestellt (der 80jährige K. Zuse berichtete im Oktober 1990 während eines Vortrages im Senatssaal über seine Arbeiten an diesem Rechenautoma-
ten). Zum anderen fällt in das Jahr 1941 außerdem die »Geburtsstunde« des ersten universellen vollelektronischen Analogrechners; diesen Rechner hat H. Hoelzer in Peenemünde konstruiert.
Nach mehrmaliger Terminverschiebung (zuletzt wegen des plötzlichen Streiks des Flugpersonals) konnte der Gastvortrag Dr. Hoelzers, der heute in den USA lebt, schließlich am 26. Mai im Senatssaal stattfinden.
Der Gast wurde im RZ von Herrn Dr. Schirmbacher begrüßt und zu Beginn des Vortrages von Herrn Prof. Dr. Schwarze den zahlreichen Zuhörern vorgestellt. Sodann berichtete Dr. Hoelzer, der sich als außerordentlich rüstiger und humorvoller Redner erwies, von seinen damaligen Entwicklungsarbeiten an seinem Rechner, von dessen Architektur und Funktion sowie vom späteren Schicksal dieses Gerätes.
Helmut Hoelzer, 1912 in Bad Liebenstein in Thüringen geboren, hat ab 1931 an der Techni schen Hochschule Darmstadt Elektrotechnik studiert und dort 1946 bei Alwin Walther mit dem Thema »Anwendung elektrischer Netzwerke zur Lösung von Differentialgleichungen und zur Stabilisierung von Regelvorgängen«
promoviert. In den Jahren 1937-38 war er als Assistent an der Ingenieurschule für Luftfahrttechnik in Darmstadt tätig und danach bei Telefunken in Berlin im Laboratorium für Hochfrequenzforschung.
Ende 1939 wurde er nach Peenemünde an das Raketenforschungszentrum dienstver-
pflichtet und als Spezialist für Fernsteuerungssysteme eingesetzt. Nach dem Krieg siedelte er 1946 mit mehreren Mitarbeitern des Forschungsteams in die USA über; dort war er u. a. viele Jahre (bis 1973) »Director of Computing« im Marshall Space Flight Center in Huntsville.
In den Jahren 1973-76 arbeitete H. Hoelzer wieder in Deutschland als Berater für ein Raumfahrt-Projekt; von 1978 an war er amtierender Vizepräsident einer amerikanischen Gesellschaft für »Internationale Raumfahrt-Technologien«. Seit 1982 lebt er in Alabama im Ruhestand.
Zur Analogrechentechnik kam Hoelzer in jungen Jahren durch sein Hobby, das Segelfliegen. Er suchte nach einer praktikablen Methode, die Fluggeschwindigkeit über Grund von Flugzeugen zu messen, da es bis dato dafür noch keine Meßgeräte gab! Hoelzer entwickelte ein Verfahren, mittels eines Feder-Masse-Dämpfungssystems die Beschleunigung zu messen und durch deren zeitliche Integration die Geschwindigkeit zu ermitteln. Die elektronische Umsetzung der Integration führte zur Entwicklung eines Integrierers, dem wichtigs-
ten Rechenelement eines Analogrechners.
Hoelzer hatte einen solchen Integrierer (s. Abb. 2) bereits 1935 vorgeschlagen, also noch während seiner Studienzeit. Er plante, daraus ein universelles Gerät zu entwickeln; dieser Plan konnte schließlich in Peenemünde realisiert werden, und 1941 war der erste vollelektronische Analogrechner in der Computerge-
schichte fertiggestellt. Das Gerät enthielt neben den gängigen Rechenelementen eines Analogrechners auch Dividierer, Schaltkreise zur Quadratwurzelbildung sowie Differenzierer (s. Abb. 3), die im Raketenforschungszentrum zur Simulation der Flugmechanik und der Steuerungssysteme benötigt wurden.
Die Maschine wurde 1946 als Kriegsbeute in die USA gebracht und dort von der US Army weiterverwendet.
Hoelzer hat in Peenemünde auch ein Funkleitsystem und ein stabiles Kurssteuerungssystem für Fluggeräte und Raketen entwickelt. Auf
diese Entwicklungen wurde zwei Jahrzehnte später bei der Fernsteuerung der amerikanischen Mondfahrzeuge ganz wesentlich wieder zurückgegriffen, denn H. Hoelzer war im Apollo-Programm unter der Leitung von W. v. Braun maßgeblich mit an der ersten Mondlandung beteiligt.
Für seine Verdienste um die Raumfahrt hat Dr. Hoelzer mehrere Auszeichnungen erhalten, u. a. die Außerordentliche Verdienstmedaille der NASA sowie die Kopernikus-Medaille des Kuratoriums »Mensch und Weltall«

Early 1990 gave Dr. Helmut Hoelzer a talk at the ”Museum für Verkehr und Technik” in Berlin (now known as: Deutsches Technikmuseum Berlin) This contribution to the History of Technology is based on his talk and on an article which appeared in: Annals of the History of Computing, Volume 7, Number 3, July 1985 (pp. 227 - 240), written by James E. Tomayko. Helmut Hoelzer’s Fully Electronic Analog Computer used in the German V2 (A4) rocketsSynopsis: A fully electronic general-purpose analog computer was designed by Helmut Hoelzer, a German electrical engineer and remote-controlled guidance specialist. He and an assistant built the device in 1941 in Peenemunde, Germany, where they were working as part of Werner von Braun’s long-range rocket development team. The computer was based on an electronic integrator and differentiator conceived by Hoelzer in 1935 and first applied to the guidance system of the A-4 rocket (Goebbels, the Nazi propaganda minister dubbed, V 2, AOB). This computer is significant in the history not only of analog computation but also of the formulation of simulation techniques. It contributed to a system for rocket development that resulted in vehicles capable of reaching the moon. We will follow the main line of Hoelzer’s German language talk held in Berlin, with some additional information from Tomayko’s English language paper of 1985. Drawings are derived from Helmut Hoelzer’s dissertation (1946, at TH Darmstadt, AOB). 50 Jahre Analog Computer

50 Jahre Analog ComputerBis vor gar nicht langer Zeit haben sich nur sehr wenige Laute darum gekümmert wie diese elektronischen Analog Computer zustande kamen. Sie waren Nebenprodukte und standen völlig im Schatten viel größerer Vorhaben bis einmal das Interesse an ihnen geweckt wurde. Es war alles so ähnlich wie zur Zeit von Kolumbus (Columbus, AOB). Ein bekannter amerikanischer Wissenschaftler hat einmal gesagt: “Kolumbus wollte die Beziehung zu China verbessern. ein Problem, welches bis heute noch nicht gelöst ist. Aber sehen Sie sich doch mal die Nebenprodukte an ...!” So ähnlich erging es auch den elektronischen Analog Computern. Dies änderte sich vor einigen Jahren. Damals erschien im George C. Marschall Space Flight Center der der Nasa in Huntsville, Alabama, U.S.A., ein Professor der Wichita State Universität, im State Kansas der U.S.A., mit dem Namen Dr. James Tomayko. Er hatte den Auftrag doch einmal herauszufinden, wie Nasa bisher Computer benutzt hatte, was für welche, warum, wie viele, wofür und warum nicht, und ob sie auch nicht zu teuer gewesen waren. Man hätte ja vielleicht U$ 5,00 sparen können. Dr. Tomoyko wurde von einigen Leuten in den Labors herumgeführt und es wurden ihm verschiedene Gruppen von Computern gezeigt, die für verschiedene Raumfahrtprojekte verwendet wurden: für Projekt Mercury, Gemini, Apollo (das war das Mondlandeprojekt), u.s.w. “Und was ist das da in der Ecke?” “Ach - das ist ein Analog Computer der 1945 in Deutschland erbeutet wurde. Er wurde nach hier gebracht und wurde hier erst von der Army, dann von uns noch etwa 10 Jahre verwendet. “Aber das doch gar nicht sein, denn zu der Zeit gab es noch kein Computer!” “Bitte sehr, hier steht er, oder besser sein Überbleibsel.” Daraufhin setzte sich Tomayko in Bewegung und besuchte alle Leute, die etwas darüber wissen konnten. Er landete schließlich auch bei mir. Er hat dann, was er herausfand, in “The Annals of the History of Computing” veröffentlicht, wo es dann Herr Dr. Biener von der Humbold Universität las. Nun fing Dr. Biener an zu forschen und setzte sich dann mit mir in Verbindung....
2
. . . Wir sprechen von Echtzeit Elektronischen Analog Computern. Was heißt Echtzeit? Um dies klar zu machen, nehmen wir einmal an, wir wollten ein Regelsystem bauen, welches irgend einen Wert auf eine bestimmte Größe regulieren soll. Wir drücken zunächst einmal alles in mathematischen Gleichungen aus, und solange alles linear bleibt, können wir sie meistens auch lösen, aber jetzt sind da Nichtlinearitäten drin und Reibung, wo keine sein soll, und mechanische Lose u.s.w. und dann ist es nicht mehr möglich eine geschlossene Lösung zu finden. Deshalb ersetzen wir die mathematischen Ausdrücke wie ein Integral durch einen Integrator, einen Differentialquotient durch einen Differentiator, eine Multiplikation durch einen wie auf Deutsch heißt “Multiplier” u.s.w.. Nun haben wir also ein Gerät, welches uns die Lösung dieser Gleichung liefern kann. Aber dieses konnte man ja schon lange. Vannevar Busch baute ein solches Gerät in 1923, Udo Knorr, ich glaube, in 1914 etwas ähnliches in München. Nun passiert aber: Hier kommt der Chef und sagt: “Herr Müller, warum verwenden sie nicht unseren alten, zuverlässigen Servomotor in Ihrem Aufbau; Sie können so eine Menge Geld sparen.” Wenn Herr üller nun den Servomotor selbst, statt seiner nachgemachten Mathematik in sein Gerät einbauen will, damit dieser seinen Anteil an dem Gleichungssystem sozusagen selbst löst, muß alles im Zeitmaßstab des Servomotors arbeiten. Dies konnten die bisher bekannten Geräte nicht. Sie waren mechanische Geräte, und wenn z.B. Gestänge und Massen bewegt werden müssen von denen nichts in der Gleichung steht, wird das Ergebnis eben falsch. Es ist aber schon früher über diese elektronischen Echtzeit Analog Computer von denen ich hier sprechen will berichtetet worden, z.B. von den Professor Walther und Kirschstein von der Technischen Universität Darmstadt, von Professor Giloi von der Technischen Universität Berlin, in Dr. Hartmut Petzold’s Dissertation über Rechnende Maschinen, in dem Buch “Weltraumfahrt” von Ernst A. Steinhoff, von Hosenthien und Boehm in dem Buch “From Peenemünde to Outer Space,” in der Time-Life Serie “Understanding Computer,” von mir selbst in einem Vortrag vor der American Astronomical Society und in meiner Dissertation in 1946. Darauf werden wir noch zurückkommen. Zu der damaligen Zeit, vor 50 Jahren, war nicht jeder von meinem Erfolg für den Computer überzeugt. Die Mathematiker jener Zeit waren der Meinung, daß Mathematik nicht aus Stangen besteht und, nachdem der erste elektronische Analog Computer gebaut war, sagten sie “aus Draht besteht die Mathematik auch nicht.” Und das sagten Leute, die z.B. nicht lineare Differentialgleichungen gar nicht lösen konnten. Nun will ich berichten, wie sich das alles ergab. Im Jahre 1935 war ich Student in Darmstadt. Ich war auch Segelflieger. Ich habe es im Segelflug nie zu etwas ordentlichem gebracht, aber mir fiel auf, daß es in der ganzen Fliegerei nicht ein einziges Gerät gab, welches die absolute Geschwindigkeit eines Flugzeuges, d.h. die Geschwindigkeit gegenüber der Erde messen kann. Aha, dachte ich, das ist ja ganz einfach, man nimmt die Beschleunigung, die man ja messen kann, integriert sie und “voila!” hier ist die Geschwindigkeit. Voll Begeisterung über diese Idee rannte ich zu Professor Busch und offenbarte ihm, daß dies doch ein gutes Thema für die Studienarbeit wäre, die ich sowieso an seinem Institut machen mußte. Er sagte dann: “Dies ist aber Messtechnik - wir hier sind das Fernmelde-Technische Institut. Gehen Sie mal zu Kollegen Hueter.” Bei Professor Hueter wurde ich von seinem Hauptassistenten, Dr. Debus, empfangen. Dr. Debus war der Mann, der nach dem Krieg in Amerika das Kennedy Space Center, also den Mondflughafen, aufgebaute und dessen erster Direktor wurde. Er hörte sich alles geduldig an uns sagte: “Damit müssen wir zu Professor Hueter selbst gehen.” Professor 3Hueter sagte: “Wie wollen Sie denn die verschiedenen Sorten Beschleunigung auseinander halten? Da gibt es die Erdbeschleunigung und die Vorwärstbeschleunigung und eine Mixtur von beiden.” Ich sagte, das müßte man eben studieren - worauf er sagte: “Das ist aber Dynamik - Kollege Blaess.” Ich ging dann nie zu “Kollegen Blaess”. Das Problem des Integrators wurde gar nicht für voll genommen. Wahrscheinlich wäre ich damit zu Professor Walther, Praktische Mathematik geschickt worden. Aber der dortige Hauptassistent hatte keine besondere Meinung von mir. So blieb es dann vom heutigen Standpunkt aus gesehen, mehr oder weniger bei einer Spielerei und einer theoretischen Untersuchung über die Nachahmung von mathematischen Operationen durch elektrische Netzwerke. Mit ernsthafter Arbeit mußte ich warten bis 1939 als ich bei Telefunken in Berlin arbeitete, am Anfang des Krieges dienstverpflichtet und nach Peenemünde geschickt wurde, wo die deutsche Armee unter der technische Leitung von Werner von Braun Raketenversuche machte. Man wollte das Verbot von weitreichenden Geschützen, welches aus dem Versailler Vertrag stammte, mit gesteuerten Fernraketen umgehen. Es ist an sich bedauerlich, daß, wie immer in der Menschgeschichte, so auch hier, zuerst eine Waffe gebaut werden mußte, bevor, wie in unserem Beispiel, Raketen als Raumfahrzeuge dienen konnten, mit denen man schließlich auf den Mond gelandet ist. Als Steuerung dieser Raketen war eine Kreisel-Kurssteuerung geplant. Aber eine Kurssteuerung ist gegenüber manchen Einflüssen, z.B. von Seitenwind machtlos und man plante deshalb eine dieser Steuerung überlagerte Funk-Fernsteuerung. Photo 1: Shown here is the final version of Hoelzer’s analog computer called: Mischgerät. It consists of 5 modules (two in front and 3 mounted on the other side of the central chassis). Dies sollte meine Aufgabe sein. Ich möchte hier aber nicht weiter auf diese Fernsteuerungsentwicklung eingehen, mit der Ausnahme zu sagen, daß sie zunächst einmal instabil war. Instabilität liegt dann vor, wenn eine Störung nicht abklinkt, sondern immer weiter aufschaukelt. Die Stabilitätstheorie verlangte, daß außer der seitlichen Abweichung 4auch die seitliche Komponente der Geschwindigkeit verwendet wird. Falls permanenter Seitenwind besteht, müßte dann auch noch das Integral der Abweichung aufgeschaltet werden. Woher kriegt man nun einen Echtzeit Integrator und einen Echtzeit Differentiator? Die Ananlog Computer Technologie war eben noch nicht da. Für einen Fernmeldeingenieur gab es da nun eine Lösung und zwar für beide Anforderungen: Den Kondensator. Aber das was nicht ganz problemlos. der Kondensator und die zugehörige Schaltungen haben Verluste; außerdem muß man verstärken können und Gleichstrom Verstärker haben bekanntlich Mücken. Nun, das Verstärkerproblem wurde so gelöst, daß einfach ein Wechselstromverstärker verwendet wurde. Der Meßwert war der Wechselspannung aufmoduliert mit unterdrücktem Träger (500 Hz, AOB). Diese Anordnung war Nullpunkt sicher und arbeitete gut. Zur Modulation wurde ein Ringmodulator verwendet, dessen Halbleiter aus Kupferoxydul bestanden und die sich als ebenfalls gut Nullpunkt sicher und stabil erwiesen. Die Phasentreue Gleichrichtung verwendete ebenfalls Ringmodulatoren in einer Phasenbrücke. Nun zu den Verlusten im Kondensator: Was bei dem Kondensator und in der Schaltung an Meßwert-Amplitude verloren ging, wurde durch positive Rückkopplung am Eingang wieder eingespeist. Die Rückkopplung machte das ganze zwar instabil, aber mit der Frequenz Null, wie das für einen guten Integrator ja auch der Fall sein muß. Die Leute im Labor sagen dazu: “Er läuft weg.” Der Differentiator arbeitete ähnlich, auch mit positiver Rückkopplung. Die Verwendung einer Wechselspannung ermöglichte auch auf leichte Weise zu addieren oder subtrahieren, indem man die Sekundärseiten kleiner Transformatoren zusammenschaltete. Die Diagramme, die ich Ihnen hier zeige, sind nun schon 50 Jahre alt. Verstärkt wurde mit Elektronenröhren, denn Transistoren gab es noch nicht. Wenn Ihnen das heute alles etwas trivial vorkommt, bitte vergessen sie nicht, daß es sich um das Jahr 1940/41 handelt. 5Abb. 1 & 2 Abb. 2a & 2b. According to Reiner Sigmund, they actually did not employ integrators in the V2 steering circuit (only the radio guidance channel had one) . And, the differentiator circuits did not employ feed-back (Rückkopplung), as gyro-signals were constantly changing anyway. 6Some photographs of the „Mischgerät“ module (partly opened). The top photo fits good to the Abb. 1 & 2. (all photographs made by Adri de Keijzer). Interesting is, that all cables had PVC insulation. This device belongs to our collection, details @: archive diplays and exhibits. Beide Bilder zeigen im Prinzip, wie ein solcher Integrator und Differentiator gebaut was. Im Diagramm für den Integrator sehen wir einen Kondensator, der von einem Gleichstrom, der dem zu integrierenden Meßwert proportional ist, aufgeladen wird. Verstärkt wurde dieser Messwert als Hüllkurve einer Wechselspannung mit unterdrücktem Träger. Man sieht hier, daß die Phase um 180 Grad springt, wenn der Meßwert sein Vorzeichen ändert. Bevor das 7Signal den Kondensator als Strom auflädt, wurde, wurde es in einer Phasenbrücke gleichgerichtet. Das Gegenteil findet nach der integration im Kondensator; die Gleichspannung wird nun vor weiterer Verstärkung wieder aufmoduliert. Man sieht hier auch die Rückkopplung. Im Differentiator sind Widerstand und Kondensator vertauscht. Der Widerstand ist hier sehr klein, und nur nötig weil die Elektronenröhre ja nur Spannung verstärken kann. Nun wollen wir uns einem anderen Problem zuwenden. Die Rakete hatte schon einen “Autopiloten” in Entwicklung, eine Kreiselkurssteuerung. Dieses System zusammen mit dem Fernsteuerungssystem mußte getestet werden, bevor man einen freien Flug riskieren konnte. Dies geschah wie folgt: Die etwa 14 m hohe Rakete, einschließlich des ganzen Kurssteuerungssytems, wurde in einem Prüfstand so aufgehängt, daß sie sich um den Schwerpunkt drehen konnte. Die Kurssteuerung bestand aus Kreiseln und zu dieser Zeit noch Wendezeigern (gefesselte Kreisel), Servomotoren, Strahlrudern und andere Teilen. Der Motor wurde dann gezündet und die Rakete von der vertikalen Lage ausgelenkt und losgelassen. Sie sollte in die vertikale Lage aperiodisch, ohne Überschwingung zurückgehen. Diese aufwendige und unbequeme Methode wurde jedoch bald zum größten Teil ersetzt durch einen mechanischen Simulator, welcher in der Hauptachse aus einem Pendel bestand welches mit Wirbelstrombremse, Potentiometer Abgriff und einem Drehmomentgeber ausgerüstet war. Das Pendel konnte aus der vertikalen Lage bis beinahe horizontal gekippt werden um die Dynamik der Rakete zu verschiedenen Flugzuständen zu simulieren. Diese Methode und die ganze Maschinerie stammte von Dr. Walther Häusermann. Ungefähr zur selben Zeit konstruierte Josef Böhm einen Schwingtisch, der die Scharnierder Strahlruder zu simulieren und die Montage der Kreisel ermöglichte. Diese elektro-mechanische Simulation war eine große Verbesserung verglichen mit der aufwendigen Prüfstand-Methode. Dieser elektro-mechanische Simulator konnte natürlich nur die Rotation um den Schwerpunkt simulieren. Das Fernsteuersystem, welches die seitliche Bewegung des Schwerpunktes der Rakete als Input verwendet, konnte so natürlich nicht simuliert werden. Die mehr mechanisch veranlagten Entwickler der Rakete versuchten natürlich einen mechanischen Simulator für diesen Freiheitsgrad zu entwickeln, aber sie machten bald die Erfahrung, daß je langsamer und besser gedämpft die seitliche Bewegung der Rakete war, um so mehr unerwünschte Effekte wie mechanische Lose und Reibung an Einfluß gewannen. Und es mußte alles in Echtzeit arbeiten. Nun, wenn es möglich ist, die Fernsteuerungsgleichung wie oben gezeigt - in elektronischer Hardware wie Differentiatoren und Integratoren auszudrücken, sollte es doch möglich sein die Bewegungsgleichungen auch so auszudrücken. Dies führte zu der Entwicklung eines elektronischen Simulators, welcher die verschiedenen Freiheitsgrade der Rakete nachbilden konnte und so die Erprobung des gesamten Kurs = und Fernsteuerungssytems im Laboratorium ermöglichte. Aber weder die Worte “Simulator” noch “Computer” waren üblich, sie wurden erst später erfunden. Wir nannten es “elektrische Modelle,” oder “elektrische Analogien.” Ich will hier die elektrische Modellgeschichte einmal unterbrechen und später darauf zurück kommen, weil ich chronologisch einigermaßen genau bleiben möchte. Der Grund dafür war ein Besuch von Dr. von Braun’s in unserem Labor. Er war ziemlich aufgeregt und erzählte mir, daß alle vier Firmen die unter Vertrag waren, eine Kurssteuerung zu entwickeln gestanden, daß ihre Berechnungen zeigten, daß die Steuerungen im Flug instabil sein würden. 8Der Grund dafür sagte er, wäre bei allen vieren, daß die Teile verwenden wollten, die ursprünglich für Flugzeuge gedacht waren, und daß einige, insbesondere die Servomotoren die die Strahlruder bewegen sollten, zu langsam waren. Letzten Endes hat die Rakete nur 60 Sekunden zum auskorrigieren einer Störung, während das Flugzeug den ganzen tag hat (so zu sagen). Sie erklärten, daß sie entweder schnellere Servos haben müßten oder die Aufschaltung der Winkelbeschleunigung zusätzlich zu der Winkelgeschwindigkeit, welche von den Wendezeigern geliefert wurde. Alles dies brauchte erheblich mehr Zeit und Geld beides war nicht da. Von Braun fragte mich: “Sie müssen doch ein ähnliches Problem in dem Fernsteuersystem haben; wie messen Sie denn die seitliche Geschwindigkeit?” Ich muß hier erwähnen, daß zu dieser Zeit die Entwicklung der Kurssteuerung von der Fernsteuerentwicklung organisch getrennt war. Ich sagte ihm, daß wir die seitliche Geschwindigkeit nicht messen, sondern automatisch ausrechnen. Er sagte “ausrechnen? Können Sie denn nicht dasselbe tun für die Winkelbeschleunigung? Und wie lange würde Sie brauchen?” Er dachte offensichtlich in Wochen oder Monate. Meine Antwort war: “Es ist jetzt 9 Uhr; wenn Sie mal um 6 Uhr heute Abend wieder hereinschauen würden ...” Er faßte das als guten Witz auf und ging wieder weg. Für uns aber war das alles dank unseres elektrischen Simulators kein Problem und wir fanden ohne tief in die Theorie gehen zu müssen, stabile Bereiche. Abends versuchten wir von Braun zu finden, aber vergebens. Mir fällt da ein, daß wir öfter die Heisenberg’schen Unbestimmtheits-Realisation auf von Braun anwandten: Auf von Braun bezogen, sagt Relation No. 1 Wenn man genau weiß wo er ist, kann man nie genau sagen was er als nächstes tut. Relation No. 2: Wenn man genau weiß was er tut, kann ihn keiner finden. Als er schließlich auftauchte und sah was wir getan hatten, erwarteten wir Lob. Aber alles was er sagte war: Dafür werdet ihr Kerle ja bezahlt. Wo sind denn die Wendezeiger in diesem Aufbau?” Wir sagten ihm, daß zusätzlich zu der rechnerischen Gewinnung der Wendebeschleunigung die Wendezeiger bei diesem Unternehmen auch gestorben seien und daß sie auch durch Computer-Teile ersetzt wären. Kosten: Ein paar Mark gegen ein paar tausend. Er sagte dann: “Oh gut! Ich brauche gerade mehr Geld für Antriebsleute” und verschwand. Er war ein großer Mensch, wir verehrten ihn alle. Ich möchte hier erwähnen daß, da die Differentiatoren und Integratoren in dem endgültigen Design der Steuerung nur für Stabilisationszwecke da waren, sie keine positiven Rückkopplungen brauchten. Mit anderen Worten: Exakte Differention und Integration war in diesem Falle nicht notwendig. Abbildung 3, (on the next page, AOB) zeigt das komplette Kurs = und Fernsteuerungssystem. Das Herz dieser Steuerung, der Computer, erhielt den Tarnnamen “Mischgerät,” weil das Mischen der verschiedenen Signale dort auch stattfand. Es möge von Interesse sein, hier einmal die Steuerungsexperten jener Zeit zu beleuchten. Die deutsche Industrie reaggierte heftig auf die Tatsache, daß ein paar grüne Jungen in Peenemünde, die noch nicht ganz trocken hinter den Ohren waren, mit einer ganz neuen Steuerungstechnologie herauskamen. Da war eine Konferenz hier in Berlin bei der einer der größten Firmen (presumably Siemens & Halske, AOB). Was auf dieser Konferenz geschah, demonstrierte, wieviel manche Experten auf diesem Gebiet wirklich davon verstanden. Ich benutzte Nyquist’s Stabilitätstheorem ausgiebig. Auf dieses Verfahren näher einzugehen ist im Rahmen dieses Vortrags nicht möglich. 9Ich möchte nur erwähnen daß, wenn bei Nyquist von Schwingung gesprochen wird, diese Schwingung nichts unmittelbar mit einer Schwingung zu tun hat, welche die Rakete im Flug ausübt oder nicht ausübt. Ich benutzte daher, abweichend von dem Sprachgebrauch der “klassischen Wurzel-Methode.” das Wort “Phase” und “Phasenschieber.” Einer der Herren der Firma fragte mich, ob ich wüßte, daß das Wort Phase nur Sinn mache, wenn es sich um eine Schwingung handelte. In anderen Worten, “wenn die Rakete keine Schwingung ausübt, kann ja Ihr System gar nicht funktionieren und die Schwingung wollen wir ja gerade vermeiden.” Diejenigen von Ihnen, die sich einmal mit Regelungstechnik befaßt haben, werden jetzt anfangen zu lachen und ich tat das auch bis mir der Ernst der Lage klar wurde. Dies war nämlich für unseren General, der die Sitzung leitete, aber noch weniger davon verstand, so sehr überzeugend, daß er das neue System abdrehte. Die Computersteuerung war kaputt - tot - und die Industrie war beruhigt. Dies blieb so bis Prüfstand Tests zeigten, daß es das einzige System war, das wirklich funktionierte. Es wurde dann das endgültige System für die Rakete. Nicht nur, daß es billiger war, es war auch zuverlässiger und man konnte nun alle Geräte der Steuerung miteinander austauschen und miteinander arbeiten lassen. Z.B. Siemens Richtgeber mit Anschutz Rudermaschine oder stabilisierte Plattform von der Firma Kreiselgeräte mit irgend einer Rudermaschine von einer anderen Firma oder umgekehrt. Ich möchte noch erwähnen, daß auch die Stellungszuortnung der Rudermaschine überflüssig wurde. Wenn Ihnen also jemand ein Steuerungsschaltbild zeigt, welches Wendezeiger enthält, dann war es nicht die V 2 Steuerung sondern der Vorschlag von einem, der es gerne verkauft hätte, wenn es funktioniert hätte. Nun zurück zu dem Analog-Computer. Soweit war dieses Ding nur gut für die Simulation von Steuerungssystemen und Flugmechanik. Aber wir wollten mehr damit tun. Wir wollten Differentialgleichungen ganz gleich welcher Form oder Ordnung automatisch damit lösen. Dazu brauchten wir noch Geräte, die Multiplizieren, Addieren, Dividieren, Wurzelziehen (auch höhere Wurzeln) Funktionen von Funktionen bilden konnten. Nun wollen wir sehen, wie das gemacht wurde. Bevor ich aber darauf näher eingehe, will ich noch erwähnen, daß nicht ohne Beinbrüche abgeht. mein Chef kam ins Labor, sah das elektronische Drahtverhau und sagte nur: “Hoelzer, hören Sie doch endlich auf mit dieser elektrischen Spielerei und kümmern Sie sich um ihre Aufgabe. Ab morgen ist das alles weg, verstanden?” Ich sagte, das einzige, was man in solcher Situation sagen konnte: “Jawohl, Herr Doktor.” Am nächsten Morgen war alles weg und zwar war es jetzt in einem kleinen Raum ohne Fenster hinter

 

 

 

 

8Der Grund dafür sagte er, wäre bei allen vieren, daß die Teile verwenden wollten, die ursprünglich für Flugzeuge gedacht waren, und daß einige, insbesondere die Servomotoren die die Strahlruder bewegen sollten, zu langsam waren. Letzten Endes hat die Rakete nur 60 Sekunden zum auskorrigieren einer Störung, während das Flugzeug den ganzen tag hat (so zu sagen). Sie erklärten, daß sie entweder schnellere Servos haben müßten oder die Aufschaltung der Winkelbeschleunigung zusätzlich zu der Winkelgeschwindigkeit, welche von den Wendezeigern geliefert wurde. Alles dies brauchte erheblich mehr Zeit und Geld beides war nicht da. Von Braun fragte mich: “Sie müssen doch ein ähnliches Problem in dem Fernsteuersystem haben; wie messen Sie denn die seitliche Geschwindigkeit?” Ich muß hier erwähnen, daß zu dieser Zeit die Entwicklung der Kurssteuerung von der Fernsteuerentwicklung organisch getrennt war. Ich sagte ihm, daß wir die seitliche Geschwindigkeit nicht messen, sondern automatisch ausrechnen. Er sagte “ausrechnen? Können Sie denn nicht dasselbe tun für die Winkelbeschleunigung? Und wie lange würde Sie brauchen?” Er dachte offensichtlich in Wochen oder Monate. Meine Antwort war: “Es ist jetzt 9 Uhr; wenn Sie mal um 6 Uhr heute Abend wieder hereinschauen würden ...” Er faßte das als guten Witz auf und ging wieder weg. Für uns aber war das alles dank unseres elektrischen Simulators kein Problem und wir fanden ohne tief in die Theorie gehen zu müssen, stabile Bereiche. Abends versuchten wir von Braun zu finden, aber vergebens. Mir fällt da ein, daß wir öfter die Heisenberg’schen Unbestimmtheits-Realisation auf von Braun anwandten: Auf von Braun bezogen, sagt Relation No. 1 Wenn man genau weiß wo er ist, kann man nie genau sagen was er als nächstes tut. Relation No. 2: Wenn man genau weiß was er tut, kann ihn keiner finden. Als er schließlich auftauchte und sah was wir getan hatten, erwarteten wir Lob. Aber alles was er sagte war: Dafür werdet ihr Kerle ja bezahlt. Wo sind denn die Wendezeiger in diesem Aufbau?” Wir sagten ihm, daß zusätzlich zu der rechnerischen Gewinnung der Wendebeschleunigung die Wendezeiger bei diesem Unternehmen auch gestorben seien und daß sie auch durch Computer-Teile ersetzt wären. Kosten: Ein paar Mark gegen ein paar tausend. Er sagte dann: “Oh gut! Ich brauche gerade mehr Geld für Antriebsleute” und verschwand. Er war ein großer Mensch, wir verehrten ihn alle. Ich möchte hier erwähnen daß, da die Differentiatoren und Integratoren in dem endgültigen Design der Steuerung nur für Stabilisationszwecke da waren, sie keine positiven Rückkopplungen brauchten. Mit anderen Worten: Exakte Differention und Integration war in diesem Falle nicht notwendig. Abbildung 3, (on the next page, AOB) zeigt das komplette Kurs = und Fernsteuerungssystem. Das Herz dieser Steuerung, der Computer, erhielt den Tarnnamen “Mischgerät,” weil das Mischen der verschiedenen Signale dort auch stattfand. Es möge von Interesse sein, hier einmal die Steuerungsexperten jener Zeit zu beleuchten. Die deutsche Industrie reaggierte heftig auf die Tatsache, daß ein paar grüne Jungen in Peenemünde, die noch nicht ganz trocken hinter den Ohren waren, mit einer ganz neuen Steuerungstechnologie herauskamen. Da war eine Konferenz hier in Berlin bei der einer der größten Firmen (presumably Siemens & Halske, AOB). Was auf dieser Konferenz geschah, demonstrierte, wieviel manche Experten auf diesem Gebiet wirklich davon verstanden. Ich benutzte Nyquist’s Stabilitätstheorem ausgiebig. Auf dieses Verfahren näher einzugehen ist im Rahmen dieses Vortrags nicht möglich.

9Ich möchte nur erwähnen daß, wenn bei Nyquist von Schwingung gesprochen wird, diese Schwingung nichts unmittelbar mit einer Schwingung zu tun hat, welche die Rakete im Flug ausübt oder nicht ausübt. Ich benutzte daher, abweichend von dem Sprachgebrauch der “klassischen Wurzel-Methode.” das Wort “Phase” und “Phasenschieber.” Einer der Herren der Firma fragte mich, ob ich wüßte, daß das Wort Phase nur Sinn mache, wenn es sich um eine Schwingung handelte. In anderen Worten, “wenn die Rakete keine Schwingung ausübt, kann ja Ihr System gar nicht funktionieren und die Schwingung wollen wir ja gerade vermeiden.” Diejenigen von Ihnen, die sich einmal mit Regelungstechnik befaßt haben, werden jetzt anfangen zu lachen und ich tat das auch bis mir der Ernst der Lage klar wurde. Dies war nämlich für unseren General, der die Sitzung leitete, aber noch weniger davon verstand, so sehr überzeugend, daß er das neue System abdrehte. Die Computersteuerung war kaputt - tot - und die Industrie war beruhigt. Dies blieb so bis Prüfstand Tests zeigten, daß es das einzige System war, das wirklich funktionierte. Es wurde dann das endgültige System für die Rakete. Nicht nur, daß es billiger war, es war auch zuverlässiger und man konnte nun alle Geräte der Steuerung miteinander austauschen und miteinander arbeiten lassen. Z.B. Siemens Richtgeber mit Anschutz Rudermaschine oder stabilisierte Plattform von der Firma Kreiselgeräte mit irgend einer Rudermaschine von einer anderen Firma oder umgekehrt. Ich möchte noch erwähnen, daß auch die Stellungszuortnung der Rudermaschine überflüssig wurde. Wenn Ihnen also jemand ein Steuerungsschaltbild zeigt, welches Wendezeiger enthält, dann war es nicht die V 2 Steuerung sondern der Vorschlag von einem, der es gerne verkauft hätte, wenn es funktioniert hätte. Nun zurück zu dem Analog-Computer. Soweit war dieses Ding nur gut für die Simulation von Steuerungssystemen und Flugmechanik. Aber wir wollten mehr damit tun. Wir wollten Differentialgleichungen ganz gleich welcher Form oder Ordnung automatisch damit lösen. Dazu brauchten wir noch Geräte, die Multiplizieren, Addieren, Dividieren, Wurzelziehen (auch höhere Wurzeln) Funktionen von Funktionen bilden konnten. Nun wollen wir sehen, wie das gemacht wurde. Bevor ich aber darauf näher eingehe, will ich noch erwähnen, daß nicht ohne Beinbrüche abgeht. mein Chef kam ins Labor, sah das elektronische Drahtverhau und sagte nur: “Hoelzer, hören Sie doch endlich auf mit dieser elektrischen Spielerei und kümmern Sie sich um ihre Aufgabe. Ab morgen ist das alles weg, verstanden?” Ich sagte, das einzige, was man in solcher Situation sagen konnte: “Jawohl, Herr Doktor.” Am nächsten Morgen war alles weg und zwar war es jetzt in einem kleinen Raum ohne Fenster hinter 10meinem Büro, durch welches der einzige Zutritt war, und den man abschließen konnte. Natürlich habe ich mich um meine Hauptaufgabe gekümmert. Aber mir schien es auch wichtig, ein gerät zu schaffen, welches, wie man damals dachte in der Hauptsache für die Entwicklung von Raketensteuerungen von nicht zu überbietender Wichtigkeit war. Inzwischen haben sich nun ja auch noch ein paar andere Verwendungsmöglichkeiten für jede Sorte Computer ergeben. Als alles funktionierte, wurde mir dann vergeben. Dieses alles nut nebenbei. Die Wechselstromverstärkermethode, die ich schon erwähnt habe, hatte andere Vorteile neben Stabilität. Da die Transformatoren sekundärseitig nicht belastet waren, konnte Addition und Subtraktion durch einfaches Verbinden der Sekundärseiten in Serie gemacht werden. Da heute keiner mehr mit Elektronenröhren arbeitet, lassen Sie mich erklären, daß sie sich ähnlich verhielten wie die heutigen MOS FET Transistoren, mit dem Gitter als Base. Daß die Rückkopplung in den Integratoren zu exakter Integration führt kann leicht in den Abbildungen 2a und 2b gesehen werden. Abb. 4Sogar Doppel-Differentiatoren und Doppelintegratoren wurden gebaut. Der letztere ist gezeigt in Abbildung 4 in einem Schaltbild. Das Rückkopplungsnetzwerk, welches die Verluste kompensiert und zu exakter Integration führt, ist in diesem Falle etwas komplizierter. Der 11beweis dafür ist nicht schwer einzusehen. Sogar Integratoren, die überhaupt keine Impedanz in dem direkten Zweig der Schaltung haben, sondern alles in der Rückkopplung, waren möglich. So werden Integratoren heute gebaut. Die Idee, jedoch ist schon in meiner Dissertation dokumentiert die aus all diesem erwuchs (1946, Seite 20, Kapitel 11). Dieser neue Integrator, der bald später in einer zweiten Generation des Wechselstrom-Analog-Computers verwendet wurde, wurde dann von den Herrn Dipl.-Ing. Hirschler und Dipl.-Ing. Hosenthien gebaut. Ein Prinzip Schaltbild zeigt Abbildung 5b. Abb.5a & 5b Der Verstärker ist wieder Wechselstrom und die Verbindung zwischen Kondensator und Verstärker ist ein Ringmodulator. Der Kondensator glaubt nun, er sei mit einem Gleichstromverstärker verbunden. Wie die Gleichung in Abbildung 5 zeigt, ist die Rückkopplung hier negativ. Der Ausdruck 1/v bedeutet jedoch eine positive Rückkopplung, die aber vernachlässigt werden kann, wenn v groß genug ist. In 1950, etwa eine Dekade später, als der “Chopper stabilized Amplifier” von Goldberg erfunden wurde, wurde dann der heutige Gleichstrom Analog Computer Wirklichkeit. 12Aber jetzt zurück nach 1940 mit ein paar Worten über Multiplikation, Division und Wurzelziehen. Abb. 6a & 6b Multiplikation und Quadrieren wurde mit Ringmodulatoren gemacht, wie Abbildung 6 zeigt. Das Multiplizieren zweier Funktionen miteinander ist dasselbe als die eine der anderen zu modulieren. daher die Verwendung von Ringmodulatoren. Abbildung 6a zeigt den Fall wo das Produkt als die Einhüllende einer Wechselspannung mit unterdrücktem Träger erscheint. man sieht den Phasensprung wenn die Polarität sich ändert. Abbildung 6b zeigt ein Schema wo a(t) und b(t) die Einhüllenden zweier Wechselspannungen sind und das Resultat sozusagen als “Gleichstrom” erscheint. Andere Anordnungen mit einem Faktor Wechsel= und dem anderen Gleichspannung sind auch möglich. 13Abb. 7a & 7b Division (siehe Abbildung 7), basiert auf der Beobachtung, daß das partikuläre Integral der Differentialgleichung: 1/v @ y1 + ay = b ist y = b/a (a = positiv) 14Die Formierung des Quotienten b/a ist aber verzögert durch den Ausgleichvorgang welchen man jedoch beliebig kurz machen kann durch Vergrößerung von v. Wenn v groß ist, können a und b sogar langsam zeit veränderlich sein. Ein sehr große Verstärkung erlaubt sogar ohne Integrator zu arbeiten, wobei ein statischer Fehler, da v letzten Endes nicht unendlich ist. Die Fehler kann jedoch wie folgt vermieden werden. Aus dem Abbildung 7b folgt die Gleichung: y/v = b(t) - y @ a(t) Unerwünscht ist aber 0 = (t) - ya(t) wobei dann das exakte Resultat y = b(t)/a(t) wäre. Dies kann man erreichen indem man die Konstante -1/v zu dem Faktor a(t) addiert welches dann das erwünschte Resultat y = b(t)/a(t) liefert. Abbildung 8 Eine Divisionsschaltung nach Abbildung 8 mit einer selbstabgleichenden Brücke scheiterte an der Nichterhältlichkeit eines Leichtankermotors. Abb. 8a 15Abb. 9 Quadratwurzeln und höhere Wurzeln folgten im Prinzip der Divisionsschaltung (Abbildung 8a). Auch hier kann man fehlerfrei arbeiten durch Einführung von -1/v. Das Lösen von Systemen von Differentialgleichungen zeigt Abbildung 9 und braucht keine weitere Erklärung. Systeme von algebraischen Gleichungen mit n Unbekannten wurden gelöst durch künstliche Einführung von Differentialquotienten der Unbekannten entlang der Hauptdiagonale der Matrix, also durch Transformation in ein System von linearen Differentialgleichungen der 1. 16Ordnung. Man muß nur für die partikulare Lösung nach Abklingen der Ausgleichvorgänge warten um die Lösung zu haben. Wenn keine konstante partikuläre Lösung entsteht, würde das System auch mit andere Lösungsmethoden nicht konvergieren. Abb. 10 Abbildung 10 zeigt eine Anordnung für Funktionen von Funktionen wobei ein Leichtankermotor mit Stellrückführung für die erste Funktion und eine Kurvenscheibe für die zweite verwendet wurde. Als ein letztes Beispiel von was im Jahre 1940 schon möglich war zeigt Abbildung 10a Abb. 10a Es brauchte damals viele überzeugende Worte, daß so etwas wirklich geht. Die meisten Mathematiker betrachteten diese Behandlung ihrer Wissenschaft mit Stangen und Drähten als eine Beleidigung. Eine Generation von “Nicht Denken würde heranwachsen, usw.” hatten diese Leute nun Recht oder Unrecht? Ich glaube die Antwort der neuen Generation, speziell hier in Berlin, ist einfach “Denkste.” Was ich nun bis jetzt beschrieben habe war, wie Differentialgleichungen im generellen gelöst werden könnten, wie Analog Technologie für die Steuerung verwendet wurde, und nun will ich zeigen wie das dynamische verhalten der Rakete simuliert wurde. Eine Simulation des 17kompletten Systems in zwei Freiheitsgraden der Raketen-Bewegung um den Schwerpunkt und die Bewegung des Schwerpunktes selbst im elektromagnetischen Feld der Fernsteuerung wird gezeigt im Abbildung 11. Abb. 11 Um den Lage-Kreisel selbst in dem Aufbau zu haben, war es nötig, einen Schwingtisch zu bauen, auf dem er montiert werden konnte. Dieser Schwingtisch wurde angetrieben von der Lagegeschwindigkeit; er führte die Integration zur Lage selbst durch, wurde aber von einem elektronischen Integrator überwacht, der parallel zu ihm arbeitete. Der original Fernsteuerungs-HF-Empfänger war auch in der Simulation eingeschlossen. Er empfing die Signale die von einem Simulator der Sendestation geliefert wurde. Links im Abbildung 11 sieht man die original hydraulischen Servomotoren mit Federn belastet um die Scharniermomente der Strahlruder der Rakete zu simulieren. Diese Simulationsanlage wurde in mehrere Exemplare gebaut. Eine davon wurde den Amerikanern nach dem Krieg mit nach Amerika genommen und wurde in Redstone Arsenal, dem amerikanischen Peenemünde, etwa eine Dekade lang in betrieb gehalten und schließlich in verbesserten Form nachgebaut. Während diese Entwicklung stattfand, dokumentierte ich alles genau, den ich wollte es als Doktor Dissertation an der Technischen Hochschule Darmstadt vorlegen. Aber das stellte sich nicht so einfach heraus. Zuerst wurde alles mit einem Geheimstempel versehen und eingeschlossen. Dann kam der Luftangriff auf Peenemünde in 1943 wo alles verbrannte, auch die völlig ausgearbeitete Dissertation. Ungefähr Anfang 1945 hatte ich alles ein zweites Mal fertig, aber da war der Krieg zu Ende und die Amerikaner kassierten die Arbeit. Ich bekam sie aber nach mehreren Anläufen wieder und präsentierte sie in Darmstadt im selben Jahre. Aber nun gab es inzwischen eine Militärregierung und ein Captain der amerikanischen Armee war der technischen Hochschule vorgesetzt. Bei ihm mußte ich mir Genehmigung holen zum Promovieren. Er

Dr.-Ing. Helmut Hoelzer – Erfinder des Analogrechners
zum 15. Todestag am 19.August 2011

 

Im letzten Infoblatt hatten wir schon in einem Artikel das Leben von Dr.-Ing. Hoelzer gewürdigt.

Anlässlich seines Todestages würdigen wir seine herausragenden Leistungen für die Entwicklung der Raumfahrt.

 

Dr.-Ing. Helmut Hoelzer ist am 19. August 1996 im Alter von 84 Jahren in Huntsville, Alabama verstorben. Sein unermüdliches erfolgreiches Wirken war gekennzeichnet durch die Entwicklung und Nutzung analoger elektronischer Schaltungen, insbesondere für die Flug- und Raketensimulation sowie als integrierte, in Echtzeit arbeitende analoge Bestandteile von Raketensteuerungen, bis hin zum ersten vollelektronischen programmgesteuerten Analogrechner.

Geboren wurde Helmut Hoelzer am 27. Februar 1912 in Bad Liebenstein, Thüringen. Sein Vater, August Hoelzer, war Kaufmann. Nach seinem Abitur im Jahr 1931 arbeitete er kurzzeitig im Reichsbahnausbesserungswerk Meinigen. Von 1931 bis 1939 studierte er Elektronik an der TH Darmstadt. Zusammen mit seinem Lehrer Alwin Walther entwickelte er einen Rechenschieber System Darmstadt mit einem Fehler von lediglich 0,16%.

 

 

Dieses Foto zeigt Dr. von Braun auf der linken Seite des General Bruce Medaris und wurde im Herbst 1959, unmittelbar vor dem Medaris Ausscheiden aus der Armee aufgenommen. Zu dieser Zeit arbeitete von Braun und seine Mitarbeiter für die Armee Ballistik Missile Agency in Huntsville, Alabama. Die in der Fotografie wurden identifiziert als Ernst Stuhlinger, Frederick von Saurma, Fritz Müller, Hermarn Weidner, e. w. Neubert (teilweise verdeckt), w.a. Mrazek, Karl Heimburg, Arthur Rudolph, Otto Hoberg, von Braun, Oswald Lange, Medaris, Helmut Hoelzer, Hans Maus, e.d. Geissler, Hans Hueter und George Constan.

Helmut Hoelzer schaut über die linken Schulter von General Medaris (in Uniform) Bild: NASA


Bereits in jungen Jahren vermisste er als Segelflieger ein Gerät, das die Fluggeschwindigkeit über Grund anzeigt. Seine diesbezüglichen Überlegungen führten zu einem Gerät, das als erster Simulator für die absolute Fluggeschwindigkeit anzusehen ist und das die Idee des elektronischen Integrators in sich barg. 1939 schloss er sein Studium an der TH Darmstadt als Diplom-Ing. für Elektronik ab.

Es folgte eine halbjährige Industrietätigkeit im Laboratorium für Hochfrequenztechnik der Firma Telefunken, wo er mit an Funkleitsystemen für Flugzeuge arbeitete. Unmittelbar danach wurde er an die HVA Peenemünde verpflichtet und für das Aufgabengebiet Hochfrequenz-Übertragungsverfahren für Fernsteuerung sowie für die mathematische, experimentelle und konstruktive Behandlung regeltechnischer Aufgaben eingesetzt. Diese Arbeiten waren anteilig in die A4-Entwicklung eingebettet. Während dieser Zeit entwickelte er den ersten elektronischen Analogrechner, der als Simulator einsetzbar war.

1946 promovierte er. Das Thema seiner Arbeit lautete: „Anwendung elektrischer Netzwerke zur Lösung von Differenzialgleichungen und zur Stabilisierung von Regelvorgängen“. Das war die erste Arbeit überhaupt, die einen selbst entwickelten vollelektronischen Analogrechner in Funktion und Einsatz beschrieb.

Im gleichen Jahr übersiedelte er zusammen mit weiteren Mitarbeitern des ehemaligen Forscherteams in Peenemünde in die USA. Hier entwickelte er ganz neuartige analoge elektronische Schaltkreise. Diese wurden bei der Modellierung von Steuersystemen bei Raketen benutzt. Später arbeitete er natürlich auch unter Verwendung der modernen Digitaltechnik.

Dr. Helmut Hoelzer hatte in den USA hohe Positionen inne. 1960 wurde er Marshall Direktor der Berechnungsabteilung in der NASA. Darauf verweist auch die Inschrift eines Gedenksteines hin, der 1995 im Forstamt Neu Pudagla/Usedom aufgestellt wurde. Noch mal zur Erinnerung. Sie lautet:

 

Forschen Einzelner verändert das Leben Aller.

Zeitweilige Wirkungsstätte des

Dr.-Ing.

Helmut Hoelzer

Erfinder des Analogcomputers

und langjähriger

Director of Computing

im Marshall Space Flight Center, USA.

 

Als Director of Computing entwickelte er die Fernsteuerung der Mondraketen des Apollo-Programms.

Dr. Hoelzer erhielt für seine Verdienste um die Raumfahrt mehrere Auszeichnungen. Stellvertretend dafür seien genannt: Die „Außerordentliche Verdienstmedaille der NASA“

 

Die „Kopernikus-Medaille des Kuratoriums Mensch und Weltall“.

 

 

Quelle: Gunter Schwarze

RZ-Mitteilungen Nr. 13, Januar 1997

Helmut Hölzer schaut über die linke Schulter des Uniformierten General Medaris
Helmut Hölzer schaut über die linke Schulter des Uniformierten General Medaris

as haben Analogrechner und Simula-67 mitmodernen Modellierungssprachen zu tun?Joachim FischerHumboldt-Universit ̈at zu Berlinfischer@informatik.hu-berlin.de. . . und ich sch ̈atze ̈uber alles die Analogien,meine vertrautesten Lehrmeister.“Johannes Kepler (1571–1630)VorbemerkungMein Einstieg als Mathematikstudent in die Welt der computer-gest ̈utzten Modellierung und Simulation dynamischer Systeme wurde 1976 von mei-nem damaligen Betreuer in zwei Richtungen forciert. Dabei hatte er nicht vorher-sehen k ̈onnen, dass gerade ihre Symbiose von entscheidender Bedeutung f ̈ur diesp ̈atere Herausbildung neuer kraftvoller Modellierungsparadigmen werden sollte. Sowurde ich einerseits in die Geheimnisse des analogen Rechnens unterwiesen, wo-von ich zur damaligen Zeit angesichts h ̈aufiger Bauelementeausf ̈alle nicht allzu sehr ̈uberzeugt war. Andererseits wurde ich an die Universit ̈at Warschau geschickt, woman auf einem amerikanischen Import-Rechner des Informatik-Instituts einen Com-piler entdeckt hatte, der eine sonderbare Erweiterung von Algol-60 in Assemblerco-de ̈ubersetzen konnte. Diese Sprache mit dem Namen Simula-67, so zumindest diegeheimnisvolle Charakterisierung, verstand komplexe Zahlen als Vererbung reellerZahlen und bot zudem ein Konzept zur Next-Event-Simulation auf der Basis paral-leler Prozesse an. Beide Richtungen bereiten jedoch v ̈ollig unabh ̈angig von einanderden Boden f ̈ur sp ̈atere modellbasierte Entwicklungstechnologien wie SDL und UML.Ehe jedoch die mit der Analogrechentechnik verbundene und erstmals prakti-zierte graphische Modellrepr ̈asentation als idealer Zugang sowohl f ̈ur ein allgemei-nes Problemverst ̈andnis als auch f ̈ur die Transformation in ausf ̈uhrbare Simulati-onsmodelle erkannt werden konnte, mussten aber noch mehrere Meilensteine in derInformatikentwicklung genommen werden. Auch die Bedeutung der mit Simula-67eingef ̈uhrten Konzepte als Grundz ̈uge objekt-orientierter Modellierungsparadigmenwurde erst erkannt und gew ̈urdigt, als sp ̈atere Nachfolgesprachen aus Nordameri-ka mit genau den gleichen Konzepten, wenn auch weiter vervollkommnet, im Zenitihres Erfolges standen.Dieser Beitrag ist meinem verehrten Lehrer Gunter Schwarze (s. S. 120) gewid-met, der mich f ̈ur die Erforschung beider Richtungen im Hinblick auf ihre Kombi-nation zur weiteren Profilierung der experimentellen Computersimulation außeror-dentlich neugierig gemacht hatte.

106Joachim Fischer1 Ursprung der AnalogrechentechnikDas Jahr 1941 ist mit einer der bedeutendsten Erfindungen in Deutschlandverbunden, n ̈amlich mit der Entwicklung einer programmgesteuerten, elek-tromechanischen digitalen Rechenanlage, des Z3-Computers von Konrad Zuse.Weniger bekannt ist, dass im gleichen Jahr ein weiterer junger Wissenschaftlerim Alter von 31 Jahren in Deutschland ebenfalls einen Computer erfand, deraber nach v ̈ollig anderen Prinzipien arbeitete. Es handelte sich dabei um denersten programmgesteuerten, vollelektronischen Analogrechner. Sein Erfinderhieß Helmut Hoelzer. Als Student der Elektro-Ingenieurwissenschaften, hat-te er bereits gelernt, physikalische Ph ̈anomene in ihrem Verhalten mit Hilfemathematischer Gleichungen zu beschreiben. Insbesondere wusste man be-reits seit langer Zeit, dass abstrakt beschriebene Wirkungsstrukturen f ̈ur ein-gegrenzte Untersuchungsziele geeignete Verhaltensmodelle realer Ph ̈anomenedarstellen k ̈onnen.Ausgangsbasis f ̈ur die Erfindung Hoelzers ist die bekannte Erkenntnis, dassein und die gleiche mathematisch modellierte Wirkungsstruktur durchaus un-terschiedliche reale Ph ̈anomene beschreiben kann. Seine Betrachtungen hin-sichtlich der Herausarbeitung von Struktur- und Verhaltensanalogien brachtenihn auf die entscheidende Idee, die sich zun ̈achst einmal nur auf ein gew ̈unsch-tes Messger ̈at beschr ̈anken sollte.Abb. 1: Analoge SystemeBild 1 zeigt zwei Schwingungssysteme, ein mechanisches und ein elektri-sches. Vergleicht man ihre jeweiligen mathematischen Verhaltensbeschreibun-gen, stellt man eine Analogie sowohl in deren Struktur als auch im Verhaltenfest. Gleichung (1) beschreibt ein sogenanntes elastisches Pendel, das Schwin-gungen ausf ̈uhrt, wenn die Massemaus der Ruhelage vertikal ausgelenkt wird.

Literaturverzeichnis

  1. 1.
    Th. Lange, Helmut Hoelzer — Inventor of the Electronic Analog Computer an his Contributions to the Development of the A4 Rocket Proceedings of the International Conference on the History of Computing, Paderborn, August 1998, S. 253–283.Google Scholar
  2. 2.
    http://www.raumfahrtgeschichte.de/space1/peenemuende1.htmGoogle Scholar
  3. 3.
    K. Biener Computerpionier zu Gast in der Humboldt-Universität in: RZ-Mitteilungen Nr. 3, Berlin, Juli 1992.Google Scholar
  4. 4.
    H. Hoelzer Guidance and Control Symposium in: E.A. Steinhof (Hrsg.) The Eagle has returned. Proceedings of the Dediciation Conference of the International Space Hall of Fame, Vol. 43, Space and Technology, Alamogordo/NM, Oktober 1976.Google Scholar
  5. 5.
    J.E. Tomayko Computers in Space Journeys with NASA. Alpha books, 1994.Google Scholar
  6. 6.
    E. Griepentrog Mehrschrittverfahren zur numerischen Integration von gewöhnlichen Differentialgleichungssystemen und asymptotische Exaktheit; digitale Simulation des Übergangsverhaltens nichtlinearer elektrischer Netzwerke Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 1974.Google Scholar
  7. 7.
    G. Schwarze Simulation — kontinuierliche Systeme Reihe Automatisierungstechnik 177, Huss-Medien GmbH, Verlag Technik, Berlin, 1978.Google Scholar
  8. 8.
    G. Schwarze Digitale Simulation. Konzepte — Werkzeuge — Applikationen Akademie-Verlag, Berlin, 1990.Google Scholar
  9. 9.
    G. Schwarze Die Geschichte des Rechenzentrums der Humboldt-Universität zu Berlin im Kontext der Entwicklung von Rechentechnik und Informatik in: RZ-Mitteilungen Nr. 8, Oktober 1994.Google Scholar
  10. 10.
    G. Schwarze Nachruf. Dr.-Ing. Helmut Hoelzer cms-journal Nr. 13, Januar 1997.Google Scholar
  11. 11.
    A. Sydow Programmierungstechnik für elektronische Analogrechner Huss-Medien GmbH, Verlag Technik, Berlin, 1964.Google Scholar
  12. 12.
    F.E. Cellier Continuous System Modeling Springer Verlag New York Inc., 1991.Google Scholar
  13. 13.
    J.W. Backus, F.L. Bauer, J. Green, C. Katz, J. McCarthy, P. Naur, A.J. Perlis, H. Rutishauser, K. Samuelson, B. Vauquois, H.J. Wegstein, A. van Wijngaarden, M. Woodger Revised Report on the Algorithmic Language Algol 60 XX, 1960.Google Scholar
  14. 14.
    http://www.omg.org/docs/ptc/03-07-06.pdfGoogle Scholar
  15. 15.
    http://www.gmd.de/pointer/10-97/korn.htmlGoogle Scholar
  16. 16.
    http://www.jot.fm/issues/issue_2002_09/eulogyGoogle Scholar
  17. 17.
    O.-J. Dahl, K. Nygaard Simula — An Algol-based Simulation Language CACM, 9(9), 1966, S. 671–678zbMATHGoogle Scholar
  18. 18.
    O.-J. Dahl, B. Myrhaug, K. Nygaard Simula 67 — Common Base Language Norwegian Computing Centre, Oslo 1968.Google Scholar
  19. 19.
    M. Hartwig, R. Strobel Das Simula-System der BESM-6 Akademie der Wis-senschaften der DDR, ZfR-Information, ZfR-P-82.01, Berlin 1982.Google Scholar
  20. 20.
    G. Geoffrey GPSS — General Purpose Systems Simulator 1960.Google Scholar
  21. 21.
    B. Stroustrup A History of C++: 1979–1991 Proc ACM History of Programming Languages conference (HOPL-2), ACM Sigplan Notices, Vol 28 No 3, März 1993, S. 271–298Google Scholar
  22. 22.
    B. Stroustrup Design und Entwicklung von C++ Addison-Wesley, 1994.Google Scholar
  23. 23.
    T.L. Hansen The C++ Answer Book Addison Wesley, 1990.Google Scholar
  24. 24.
    J. Fischer, K. Ahrens Objektorientierte Prozesssimulation in C++ Addison-Wesley Publishing Company, 1996.Google Scholar
  25. 25.
    F.H. Speckhart, W. Green A Guide To Using CSMP Prentice-Hall Inc., Englewood Cliffs, NJ, 1976.zbMATHGoogle Scholar
  26. 26.
    ITU-T Specification and Description Language SDL (Orange Book) CCITT Recommendation Z.100, Genf, 1976.Google Scholar
  27. 27.
    ITU-T Specification and Description Language SDL (Blue Book) CCITT Recommendation Z.100, Genf, 1988.Google Scholar
  28. 28.
    ITU-T Specification and Description Language SDL ITU Recommendation Z.100, Genf, 1993.Google Scholar
  29. 29.
    ITU-T Specification and Description Language SDL ITU Recommendation Z.100, Genf, 2000.Google Scholar
  30. 30.
    A. Prinz Formal Semantics for SDL. Definition and Implementation Habilitation, Humboldt-Universität zu Berlin, 2001.Google Scholar
  31. 31.
    M. v. Löwis Formale Semantik des Datentypmodells für SDL-2000 Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 2001.Google Scholar
  32. 32.
    Y. Gurevich Evolving Algebra 1993: Lipari Guide in: E. Börger (Hrsg.) Specification and Validation Methods, Oxford University Press, 1995, S. 9–36Google Scholar
  33. 33.
    ITU-T Open Distributed Processing-Reference Model. Part 1–4 ITU Recommendation X.901, X.902, X.903, X.904, ISO/IEC 10746-1, ISO/IEC 10746-2, ISO/IEC 10746-3, ISO/IEC 10746-4, Genf 1995.Google Scholar

Copyright information

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006