Ernst Werner Hans Zocher

(27.04.1893 Bad Liebenstein/Thüringen -
16.10.1969 Rio de Janeiro)
Kolloidwissenschaftler, Taktosole
Pionier der Flüssigkristalldisplays (LCD)-Nebst der Vorschrift zur Herstellung eines V2O5-Taktosols)
Ernst Werner Hans Zocher
wurde als Sohn von Emil und Helene Zocher, am 27. April 1893 in Bad Liebenstein in Thüringen, geboren.Schon als Kind machte ihn sein Vater, ein Botaniker, mit den Pflanzen und Mineralien der thüringischen Landschaft bekannt. Nach der Schule studierte Hans Zocher von 1912 bis 1914 Chemie, Physik, Mathematik und Mineralogie an den Universitäten Leipzig und Jena. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er zum Militär als Frontkämpfer eingezogen und erlitt 1916 bei Kampfhandlungen sehr schwere Verletzungen, wobei seine linke Gesichtshälfte lebenslang entstellt wurde. Während der Rekonvaleszenz konnte er oftmals ein Mineralogisches Museum besuchen und setzte danach bis 1919 sein Studium an der Universität Berlin fort. Bereits 1917 wurde Hans Zocher Assistent bei Arthur Rosenheim und leitete Experimentalkurse der anorganischen und physikalischen Chemie am Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem, wo er bis 1931 blieb. Er habilitierte sich 1926 an der Universität Berlin, wurde Privatdozent und 1930 zum a. o. Professor an der Universität Berlin ernannt.
Im Jahre 1928 heiratete Hans Zocher, der evangelischen Glaubens war, die Sekretärin
Katharina Adler (05.12.1894 Breslau - 1967), die einer jüdischen Familie entstammte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Der Sohn Michael Zocher arbeitete später im Institut für Strukturforschung am University College London. Die Tochter Dorothea, die auch längere Zeit in England lebte, betreute ihren Vater nach dem Ableben der Mutter (1967) bis zu seinem Tode (1969) und lebte dann weiterhin in Brasilien. Hans Zocher war in dieser Zeit wissenschaftlich sehr aktiv und veröffentlichte über 50 Publikationen. Er beschäftigte sich mit der Anisotropie5 der Materie, d. h. Orientierung von Molekülen und kolloidalen Systemen.
Er verwandte bei seinen Untersuchungen hauptsächlich optische Methoden,
insbesondere polarisiertes Licht. Er befasste sich zunächst mit anisotropen
kolloidalen Systemen (heute als lyotrope Mesophasen bezeichnet) und konnte
nachweisen, dass eine große Anzahl kolloidaler Teilchen in Solen wie in Gelen
vorwiegend nicht sphärische Formen aufweisen. Außer den bekannten Solen von
V2O5, Al2O3, TiO2, BaSO4, Bentonit (Montmorillonit) untersuchte Zocher auch eine
größere Anzahl von Farbstoffen, wie u. a. Benzopurpurin, Setocyanin, Geranin,
Pinacyanol sowie die Gele von Salzen der Harnsäure, Chinin und seinen Derivaten.
Er folgerte aus seinen Beobachtungen u. a., dass eine Beziehung zwischen
Dichroismus und Doppelbrechung von Farbstoffen besteht und diese vom Verfahren
zur Herstellung der Anisotropie unabhängig ist.  Unter Anisotropie versteht man bei kristallinen Festkörpern die Ungleichwertigkeit der Raumachsen im Hinblick auf die Fortleitung von Druck, Strahlung, Strom und Wärme, auf Spaltbarkeit, Härte, Wärmeausdehnung, Elastizität, Auflösungs- und Kristallisationsgeschwindigkeit usw. Der Gegensatz ist die Isotropie. Unter Isotropie versteht man die Eigenart eines Stoffes, nach allen Raumrichtungen hin die gleichen chemischen und physikalischen Eigenschaften zu zeigen. Isotrope Stoffe sind z. B. Gase, Flüssigkeiten (mit Ausnahme der Flüssigkristalle), amorphe Stoffe wie Gläser und Harze sowie kubische Kristalle. Durch Krafteinwirkung von außen lässt sich oftmals Anisotropie z. B. in Form optischer Doppelbrechung erzwingen.
Gemeinsam mit Hans Kautsky veröffentlichte Hans Zocher Arbeiten über die Chemielumineszenz von ungesättigten Siliciumverbindungen. Dabei konnte erstmals aufgezeigt werden, dass Energieübertragung in der Emission auch in kondensierten Systemen auftritt. Die durch die Oxidation von Siliciumverbindungen erzeugte Energie wird durch adsorbierte Farbstoffe emittiert, wobei dieser Vorgang die Umkehrung von fotochemischer Sensibilisierung ist (KAUTSKY, ZOCHER, 1922, 1923, ZOCHER, KAUTSKY, 1923)

Quelle:
Klaus Beneke, Institut für Anorganische Chemie, der Christian-Albrechts-Universität